Ausruhen - aber richtig!

Jeden Tag aufstehen, Zähne putzen, waschen, arbeiten, putzen, kochen. Nebenbei noch Sport/Musik/Yoga/Meditation/... machen. Manchmal fühlt es sich an als wäre man in einem Hamsterrad - der Boden unter einem fliegt nur so vorbei und man stolpert von Sprosse zu Sprosse. Ein vierundzwanzig Stunden großes Hamsterrad.

Wellness please


Nicht allzu verwunderlich dringt da gerne das Verlangen nach Entspannung in den Vordergrund. Der Gedanke daran im warmen Wasser zu treiben, kein einziger Muskel im Körper auch nur ein Millivolt unter Spannung - ach das wär's jetzt, stimmt's? Darf's noch eine Massage dazu sein? Detox-Kuren, Entschleunigungsseminare, entschlackende Nahrung, Fastenhotels - alle auf dem Vormarsch in einer Zeit der überreizten Sinne. Wer es sich leisten kann, baut sich zuhause eine kleine Wellness-Oase auf. Sauna im Keller, Regendusche im Bad, Whirlpool im Garten - hauptsache ein wenig Entspannung.

Why so serious?


Warum sehnen wir uns eigentlich so sehr nach Entspannung und Ruhe? In meiner Wahrnehmung liegt das zu einem großen Teil am digitalen Zeitalter in dem wir leben und das sage ich als jemand, der sein Geld damit verdient Software zu entwickeln, die uns das Leben leichter machen soll. Adam Alter hat das in seinem Buch Irresistible sehr gut beschrieben. Viele unserer kleinen technischen Helferlein sind darauf ausgelegt uns abhängig zu machen. Durch unsere Benutzung verdienen andere Geld damit. Das merkt man am einfachsten an der immer häufiger auftretenden Werbung in einst dem 'Gemeinwohl' gewidmeten Platformen wie YouTube, Facebook und sogar der Google Suchmaschine.
Trotzdem meinen wir die beste Entspannung an einem regnerischen Sonntag sei auf der Couch zu liegen, während man gleichzeitig YouTube oder Netflix binge-watcht und auf seinem Smartphone durch endlose Facebook- und Twitter-Feeds scrollt, bevor man sich abends ins Bett schleppt um am Montag morgen endlich wieder von Neuem ins vertraute Hamsterrad zu steigen.
Am Ende der Woche hat man wieder mal das Gefühl, dass jeder einzelne der vergangenen Tage zu wenig Stunden hatte und sich das Rad zu schnell gedreht hat. Produktivität und Erfolgserlebnisse fielen durch die Sprossen und sammeln sich über die Zeit wie Schrott auf einer Müllhalde darunter.

Tu was dir gut tut und das bewusst!


Beim Sport braucht man Tage der Ruhe um stärker zu werden. Muskeln werden nicht beim Gewichte heben oder Liegestütz machen größer und stärker. Ganz im Gegenteil, dabei werden sie schwächer und beschädigt. Ein Anreiz wird erzeugt um sie bei der Regeneration noch besser wieder aufzubauen als sie vorher waren, um für die gesteigerte Beanspruchung gerüstet zu sein. Aber ohne Regenerationsphase gibt es auch keine Verbesserung. Durch Übertraining läuft man sogar Gefahr über die Zeit immer weniger leistungsfähig zu werden.
Wenn du einen Sportler siehst, der in seiner Regenerationsphase nicht aufhört zu trainieren, oder es beim Feiern übertreibt und zu viel Alkohol trinkt, würdest du sagen das ist ziemlich kontraproduktiv was sein Training betrifft. Im selben Moment, fällt uns nach einer fordernden Arbeitswoche nichts besseres ein, als Handy und Fernseher zu konsultieren und uns einlullen zu lassen. Das Lullen lullt aber letztendlich gar nicht so wie wir uns das wünschen. Anstatt ausgeruht und energiegeladen aus dieser Behandlung hervorzukommen, sind wir nur noch müder und träger. Das ist weil uns diese Dinge keine Ruhe, sondern nur noch mehr Arbeit für das ohnehin schon stark beanspruchte Nervensystem bescheren. Die Glückshormone, die bei jedem 'Like' das wir bekommen ausgeschüttet werden, oder die Neugier die sich beim endlosen Scrollen aufbaut, das alles lässt uns nur noch mehr zeit vor dem Bildschirm verbringen.
Stattdessen sollen wir das tun was uns wirklich Entspannung und Regeneration verschafft und wir alle wissen insgeheim was das ist: Spazieren gehen, draußen an der frischen Luft sein, ein Buch lesen, Musik hören und natürlich auch mal alle Viere von sich strecken und einfach nichts tun. Wer einen privaten Wellnessbereich hat, der soll ihn auch nutzen, aber bitte dann wirklich das Handy aus der Hand legen dabei. Auch Gesellschaft, Gespräche mit der Familie oder Freunden und gemeinsame Unternehmungen sind Balsam auf unserer Seele, aber nur wenn wir nicht alle zehn Minuten das kleine Elektronikkästchen aus der Hosentasche holen und darauf schauen in der Paranoia etwas zu verpassen.
Tu was dir gut tut und sei strikt dabei!

14.03.2021